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Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen und die Pflege

Erklärung des AKTIONSBÜNDNIS PATIENTENSICHERHEIT vom 23.11.2022 zum Projekt "Digitalisierungsstrategie in Gesundheitswesen und Pflege" des Bundesgesundheitsministeriums


Autor: ©Joachim Maurice Mielert

Einleitung

Die Implementierung digitaler Module in die bundesdeutschen Versorgungsketten der Gesundheitswirtschaft befindet sich hinlänglich im Rückstand. Unser APS-Botschafter Digitalisierung, J.M.Mielert, war schon 2019 Teilnehmer des seinerzeitigen Digitalisierungsgipfels unter Beteiligung des damaligen Ministers Jens Spahn und der Abt.5, im Jahre 2019 repräsentiert durch die Herren Dr. Ludewig und Klose. Was seinerzeit, in Anwesenheit von rund 100 Vertretern aus allen Bereichen der Verbands- und Versorgungswirtschaft besprochen wurde, hat sich in wiederkehrend neu formulierten Zeitachsen weitgehend verloren. Keiner der damals als gesetzt anzusehenden Termine hat den Weg zum tatsächlichen Vollzug geschafft. Die Bemühungen des Verfassers setzten sich im Zusammenhang mit dem in den Koalitionsvertrag notierten Paradigmenwechsel, nachgerade im Bezug auf die Installation der „Opt-out“-Variante der ePA fort.
Wir reklamieren diese inhaltlichen und zeitlichen Veränderungen im Interesse der Patientensicherheit ausdrücklich. Patientensicherheit im Sinne von Fehlervermeidung und Handlungsadaption in der Folge von Fehlererkennung und Fehlermanagement ist bei all den zurückliegenden Projektentwicklungen immer hinter den Belangen des Datenschutzes zurück geblieben.


Handlungsstatus und -empfehlung


Das Aktionsbündnis Patientensicherheit darf sich glücklich schätzen, mehr als 450 institutionelle und rund 400 private Mitglieder aus allen Bereichen der Gesundheitswirtschaft zu seinem Mantel zählen zu dürfen. Damit hat unser Verband erkennbar ein Alleinstellungsmerkmal, denn kein anderer Verband ist multidisziplinär so breit aufgestellt, wie das Aktionsbündnis Patientensicherheit. Die Mitgliederliste, die wir Ihnen sehr gerne auf Anfrage zureichen, liest sich wie das „who is“ der bundesdeutschen Leistungsketten im Gesundheitswesen, von den akademischen Bildungsinstanzen über die Kostenträger- und Leistungserbringerwirtschaft bis hin zu nahezu allen wesentlichen Stakeholdern der großen Konzerne der stationären und ambulanten Versorgung und Pflege. Trotz der mithin wirklich ausserordentlichen Reichweite in alle Bereiche der Versorgungsketten und der Meinungsbildung unterliegen wir regelmässig in den Projektansätzen der Ministerien und Ausschüsse, weil unser Verband komplett auf dem ökonomischen Rahmen der Beiträge und Zuwendungen aus unserer Mitgliedschaft aufbaut. Uns stehen keine Ressourcen des Zuschnitts zur Verfügung, wie beispielsweise den hauptamtlich, ja behördlich strukturierten Vertretern der Datensicherheit. In dieser Folge sind wir angewiesen, unsere Aktivitäten aus einem ehrenamtlich tätigen Vorstand und ehrenamtlich tätigen Arbeitsgemeinschaften heraus bewerkstelligen zu müssen.
Der Datenschutz und die Datensicherheit sind im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland extraordinär breit und hauptamtlich aufgestellt und erweisen sich zunehmend zum "Gegenspieler" der Patientensicherheit. Neben den Landesbeauftragten für Datenschutz und dem BfDI, die zusammengenommen mehrere hundert Mitarbeiter beschäftigen und mit einer daraus resultierenden Wucht in die Prozesse Eingriff nehmen können, ist die Patientensicherheit und der Patientenschutz vergleichsweise schwach und kaum hörbar eingebunden. Während der BfDI beispielsweise diese Woche nun erneut zu einem Kongress nach Bonn einlädt und dies aus dem Budget einer Behörde finanziert wird, unterliegt die durch uns wahrgenommene Interessenvertretung der Patientensicherheit ganz profanen Marktmechanismen und findet ihre Grenzen an der Endlichkeit einer begrenzten Ressource unserer aus Mitgliedschaftsbeiträgen gespeisten Vereinskasse. Dies bildet sich wiederkehrend in der Ungleichgewichtung der Patientensicherheit gegenüber der Datensicherheit ab. Die Patientensicherheit unterliegt hier traditionell.


Wir fordern daher, dass es in Analogie zu den die Digitalisierungsstrategien im Gesundheitswesen nahe komplett zum Stillstand bringenden Datensicherheits-Beauftragten künftig und zur kürzesten Frist hauptamtliche Patientenschutz-Beauftragte geben soll. Das Bundesgesundheitsministerium nominiert einen einzigen Patientenbeauftragten aus dem parlamentarischen Umfeld, der alleine mit seinen Mitarbeitern weder die Belange der Patientensicherheit wirksam und themendicht vertreten kann, noch der überdies die im Versorgungsalltag gegebenen Parameter in einer Person kennen und argumentativ be- und verwerten kann. Der Patientenbeauftragte bei der Bundesregierung ist daher gezwungen, sich step by step Basisinformationen zu verschaffen und hat sich in dieser Situation auch bereits öfter mit dem Aktionsbündnis Patientensicherheit ins Benehmen versetzt. Auch findet wiederkehrend Austausch mit dem Verfasser dieser Zeilen statt. Das alles ersetzt aber nicht die alternativlos notwendige Priorisierung der Patientensicherheit im Bereich normaler Meinungsbildung.

Patientenschutz und Patientensicherheit sind Parameter, die Sie, sehr verehrte Frau Dr. Ozegowski, unlängst bei Ihrer fulminanten Rede vor dem BfDI in Berlin hervor gehoben hatten, indem Sie von der Notwendigkeit des „ermöglichenden Datenschutzes“ sprachen. Sie haben hier ausdrücklich unsere Unterstützung, ja, Sie haben das Wording unseres Verbandes 1:1 übernommen. Wir bedanken uns für Ihre in dieser Weise klaren Bemerkungen.
Die Versorgungsketten in der Gesundheitswirtschaft brauchen ein „Reset“, das den Patientenschutz und die Patientensicherheit deutlich gegenüber dem Datenschutz und der Datensicherheit priorisiert. Niemand möchte auf die Datensicherheit verzichten, aber die Datensicherheit darf nicht Tatbestände der erzwungenen unterlassenen Hilfeleistung im Versorgungsalltag begünstigen. Patientensicherheit muss im Rückenmark und Hirnstamm der Projektentwickler sowohl bei der Gematik, als auch beim G-BA, dem BMG und allen Parteien, Verbänden, Fraktionen und Ausschüssen ankommen. Es nutzt nichts, Digitalisierungsstrategien zu entwickeln, wenn diese nicht den aus dem Gesundheitswesen herzuleitenden Mehrwert für den Patienten bereitstellen oder diesen sogar verhindern.
Wir sind proaktiv in den zurückliegenden Jahren wiederkehrend auf die behördlich strukturierte Administration zugegangen und haben uns in dieser Weise auch bei den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag für die Regierungsbildung eingebracht. „Opt-out“ haben wir mit vielen Argumenten dokumentiert und nicht zuletzt uns ist es zu verdanken, dass hier ein zielführender Umdenk-Prozess stattfand. Das alles geht nur leider deutlich zu langsam. Hätten wir, was wir hierdurch noch einmal offensiv fordern, auf Länder- und Bundesebene Patientenschutz-Beauftragte, die auf Augenhöhe in die Regulationsmöglichkeiten eingebunden wären, stünde die Bundesrepublik Deutschland allenfalls vor einer Patientensicht-Debatte - und nicht wiederkehrend vor einer Datenschutz- Debatte unter nahezu vollständiger Ausblendung von Patientensicherheits-Interessen.
Es gilt zu konkret zu erwägen, eine Risikobewertung zu erarbeiten, bei der der Datenschutz – die Häufigkeit der Datenschutzverletzungen und deren Auswirkungswahrscheinlichkeit erarbeitet wird und demgegenüber die Risikobewertung der sicheren Patientenversorgung zu stellen, mit Auftrittswahrscheinlichkeit von Patientenschäden und deren Auswirkungen, bei gleich bleibenden Datenschutz. Die empfehlen wir dringend! Hier wird das ganze Thema objektiviert.


Im Einzelnen wird auf die Parameter digitaler Formate eingegangen:


e P A


Das Aktionsbündnis Patientensicherheit hat im Jahre 2020 unter Einbeziehung der 1. Vorsitzenden Dr. Hecker, der Beisitzer im Vorstand Dr. Irmgard Landgraf und Dr. Martin Kluxen sowie dem Digitalisierungs-Botschafter J.M.Mielert eine Arbeitsgemeinschaft von 60 Mitgliedern aus allen Bereichen der Gesundheitswirtschaft ins Leben gerufen, innerhalb derer ein Positionspapier zur elektronischen Patientenakte zusammen getragen wurde. Von der Gematik bis zum VdEK, vom BfDI über die BAGSO bis zu Experten für Haftungsrecht haben wir Meinungen analysiert. Im Ergebnis war die Debatte ausserordentlich inspirierend, weil sie ausserhalb jeder medial protokollierten Sphäre die Analyse der Paradigmen „opt-in“ und „opt-out“ beleuchtete. Es gab sehr gute Gründe, sich für „opt-in“ zu begeistern und in der Tat hat die Meinungsbildung zu diesem Thema ja längst noch keinen Abschluss gefunden. Insbesondere die Thesen und Themen des Datenschutzes, aber auch die Frage der Zugangsbarrieren für nachgerade ältere Zielgruppenkreise liessen das „opt-in“-Verfahren durchaus überlegenswert erscheinen und längst nicht alle der involvierten Stakeholder sind heute von diesem Argumentationsszenario abgerückt. Dass aber die „opt-out“-Variante, die u.a. auch 2021 im Zuge der Koalitionsverhandlungen zur Bildung der neuen Regierung aus einem Parteienbündnis von u.a. dem Verfasser dieser Stellungnahme deutlich beflügelt wurde, annähernd alternativlos ist, wurde beim APS schon 2020 deutlich. Im Interesse der Patientensicherheit konnte nur eine „opt-out“-Variante zum Tragen kommen, sowohl was die Verbreitung des Produktes als auch und insbesondere die Vollständigkeit tragfähiger Inhalte in der ePA anbelangt. Die elektronische Patientenakte muss, wenn sie ein sinnhaftes und zielführendes Format und der Patientensicherheit zuträglich sein soll, sowohl den Medikationsplan, als auch den Notfalldatensatz und die Brücke zum eRezept enthalten. Die Zugangsbarrieren müssen deutlich vereinfacht und schwerpunktartig unter Einbindung der seit 20 Jahren in jeder privaten Brieftasche vorhandenen eGK gestaltet werden.
Von ganz wesentlicher Bedeutung beim ePA-Projekt ist die Einbindung der Pflege. Nachgerade die Kommunikation zwischen verordnenden Ärzten und mobilen Pflegediensten scheitert in Deutschland nahezu flächendeckend. Die ePA muss in dieser Folge auch als Kommunikationsformat zwischen den Pflegedienstleistern und den Ärzten dienen. Vorgänge im Lebensalltag und beim Ablauf pflegerischer Leistungen oder gar essentielle Fragestellungen der mobilen Pflegedienstleister und auch der Patienten selbst an die Expertise der verordnenden Ärzte müssen in einer expliziten Notizfunktion in der ePA möglich werden. Die Lese- und Schreibrechte in Gänze aufzuweichen, wäre vom Projektmanagement her und bei systemkorrekter Gewichtung des HBA kaum zielführend. Es muss aber mindestens eine zur interaktiven Nutzung geschaltete Notizfunktion in der ePA und auf der eGK geben, über welche sich die Teilnehmer der Versorgungsketten erreichen. Derzeit senden Pflegekräfte Fragen oder Nachrichten über Messengerdienste wie WhatsApp oder andere Portale von A nach B. Dass diese Formate allesamt datenschutzstrukturell deutlich unsicherer sind, als jedes einzelne Format der ePA oder des von der Gematik entwickelten KIM, dürfte auch der BfDI kaum bestreiten. Wer über Formate des META-Konzerns Patientendaten oder Befindlichkeitsangaben versendet, weil er keine andere Option angedient bekommt, kann die Angaben ebenso gut bei Twitter publizieren.
Das Aktionsbündnis Patientensicherheit erinnert an die sich aus den Lebenswirklichkeiten ergebenden Vertrauens- und Kommunikationsgegebenheiten. Die Patienten vertrauen den Pflegenden vielfach signifikante, für einen Behandlungserfolg essentielle Parameter an und hoffen, dass diese innerhalb der gesamten Leistungskette zur Kenntnis genommen werden. Hier entstehen auch soziale Interaktionen, die für die behandelnden Ärzte hilfreich und wichtig sind. Insoweit diese Interaktionsmultiplikationen zwischen den Berufsgruppen aus Gründen des Datenschutzes zu verhindern, erfüllt nicht selten den Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung und wirft Haftungsfragen auf, die hier schwer zu beantworten sind. Die Anzahl der beispielsweise durch Fehlverwendungen von Medikamenten notwendigen, stationären Therapien könnte erkennbar reduziert und die stationäre Pflege deutlich entlastet werden, wenn die mobilen Pflegedienste in auch nur halbwegs ernstzunehmender Weise in die Kommunikationsketten zwischen den Berufsständen eingebunden würden und Erkenntnise und therapeutische Adaptionen auf kurzen Wegen adressierbar wären.
Die multidisziplinäre Zusammenarbeit bei der Versorgung erfordert einen reibungslosen Datenaustausch zwischen allen an der Gesundheitsversorgung beteiligten Akteuren. Was innerhalb klinischer Informationssysteme richtig und alltagsüblich ist, kann im Rahmen von dezentralen Versorgungsmodellen nicht falsch sein. Die Digitalisierungsstrategie des Gesundheitswesens muss hier in den kommenden Dekaden noch deutlich optimiert werden.


eGK


Das Aktionsbündnis Patientensicherheit hat nie verstanden, warum die Gesundheitspolitik nicht seit spätestens 2005 die elektronische Gesundheitskarte in die Versorgungs-, Dokumentations- und Kommunikationsketten eingebaut hat. Es bedarf keines weiteren Beweises, dass hier eine signifikante Verletzung von Patientensicherheit zum Vorteil der Datensicherheit postuliert wurde und noch viel weniger steht zur Debatte, dass spätestens mit der Einführung der Versichertenkarte die Schaffung von hauptamtlichen Beauftragten für Patientensicherheit zur Herstellung von Gleichgewichtigkeit gegenüber der hauptamtlich vertretenen Datensicherheit vakant war. In der Lebenswirklichkeit der Bevölkerung hatten sich seit Jahrzehnten „Plastikkarten“ etabliert, von der profanen Kundenkarte eines Handelsbetriebes über die div. Karten der Finanzdienstleistungsbranche bis hin zu Personalausweis, Bahncard und Führerschein. Unbestreitbar war die eGK früh am Start und gar zumal längst vor dem Personalausweis oder den Fahrerlaubnissen im Kartenformat. Unbestreitbar tragen aber über 70 Millionen gesetzlich Versicherte eine Plastikkarte in den Geldbörsen spazieren, die nicht ansatzweise die technischen Möglichkeiten ausschöpft und die auch nicht ansatzweise der Anwender- bzw. Patientensicherheit entspricht. Die eGK wurde so schlussendlich zum profanen Versicherungsnachweis degradiert und fristet seither ein Dasein weit unterhalb der technischen und sachlichen Notwendigkeiten. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit steht für die fundamentale Einbeziehung der eGK als Kommunikationselement und wir erkennen insbesondere in der eGK ein flächendeckend verfügbares und interdisziplinär anerkanntes, in die Lebensgewohnheiten der Bürger argwohnfrei integriertes Format. Das Basissystem ist bereits bezahlt, im Hinblick auf Zugangsprocedere in die Systeme muss das Rad auch nicht jährlich neu erfunden und obendrein aus einseitiger Perspektive des Datenschutzes bewertet werden.


Es ist aus unserer Sicht alternativlos, die eGK zu bundesweit einheitlichen technischen und rechtlichen Standards in die Versorgungsketten und die neuen Module der Gesundheitswirtschaft zu integrieren bzw. wir meinen, dass die eGK - wie schon seit langen Jahren - der Schlüssel zur Erlangung jedweder Dienstleistung der Gesundheitsbranche sein muss. Die eGK ist selbsterklärend das Format, das auch bei der Kostenträgerwirtschaft allfällig Akzeptanz geniesst, weil sie den Regulationsprozess insgesamt vereinfacht. Und zum guten Ende haben die Leistungserbringer seit Jahr und Tag in die technische Infrastruktur investiert, die eGK als Identifikationsmedium zu nutzen. Keine Praxis, kein MVZ und keine Versorgungseinheit der stationären Therapie hat nicht Lesegeräte für die eGK im Bestand. Nichts spricht dagegen, der eGK eine Brückenfunktion hin zu einer später in Gänze digitalen Identifikations- und Kommunikationsstruktur einzuräumen.
Der guten Ordnung und Vollständigkeit halber verweisen wir auf die am 12.11.2022 publizierte Erklärung von Dr. Thomas Kriedel, Mitglied im Vorstand der KBV. Dr. Kriedel weist zurecht darauf hin, dass ausschliesslich der Input des Argumentationsportfolios der Datensicherheit den Rollout-Prozess beim eRezept im Einzugsbereich der KV Westphalen-Lippe zum Stillstand brachte, weil Prof. Kelber erklärte, er werde die Einbindung der eGK als Instrument zum Running des eRezeptes und/oder der ePA nicht akzeptieren. Das hat - mit Verlaub - Herr Prof. Kelber nicht zu entscheiden. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit wurde bezeichnenderweise um kein Statement angefragt und auch andere Protagonisten des Themenkomplexes Patientensicherheit nicht. Wir meinen, dass hier ein so fundamentales Ungleichgewicht besteht, dass insgesamt eine Neuausrichtung bei verpflichtenden Stellungnahmen unverzichtbar ist. Wenn der BfDI erkennbar die Leitlinien der Kommunikation in der Gesundheitswirtschaft alleine bestimmt, kann das nicht zielführend sein. Es muss erlaubt sein, die Expertise der System- und Projektentwickler bei der Gematik für mindestens so gewichtig zu halten, dass nicht nahezu jeder der Projektschritte durch die Argumentationskette des BfDI oder der Landesdatenschutzbeauftragten in Frage zu stellen ist. Die Gematik unter der Leitung von Dr. Markus Leyck -Dieken ist nicht Teil einer Amateur-Liga, dort sitzen bekanntermassen wirkliche Experten beieinander und auch das BMG hat sicherlich mit gutem Grund die Gesellschaftermehrheit an der Gematik übernommen, um hier gewisse „points of no return“ zu manifestieren und aus den Berufsständen und der Lieferketten formulierte Interessen der Besitzstandswahrung oder -gewinnung heraus zu halten. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit begrüsst dies ausdrücklich und nimmt insoweit auf die Stellungnahmen des Schirmherrn unseres Verbandes, Herrn Bundesminister Prof. Lauterbach vom 15.9.2022 Bezug. Prof. Lauterbach hat gewiss nicht ohne Grund ausgerechnet beim Aktionsbündnis Patientensicherheit über die anstehenden Implementierungsschritte der digitalen Formate in der Gesundheitswirtschaft gesprochen, die Kenntnisnahme des Mitschnittes wird ausdrücklich empfohlen.


eNotfalldaten


Wer vernünftig denkt und sich an den Lebenswirklichkeiten orientiert, wird niemals bestreiten können, dass eine Notfalldatensammlung auf der eGK lebensrettend sein kann. Es bedarf keines Beweises, dass die Verfügbarkeit von Notfalldaten unter Einbeziehung aller diagnosetypischen ICD-10-Codes, aller verabreichten Arzneimittel und aller medizinischen Basisinformationen wie Blutgruppe, Unverträglichkeiten, gewichtige aktuelle Therapien und schlussendlich der Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht in Notlagen lebensrettend ist. Es gibt kein einziges Argument, das im Sinne der Patientensicherheit der überfälligen Einbindung der eGK in den Versorgungsalltag widersprechen könnte. Und es gibt zudem keine einzige technische Hürde, die eGK nicht sofort als Benutzer- und Arbeitsoberfläche in die Systemkonfiguration zu involvieren. Dass das System flächendeckend in der Gesellschaft verfügbar und verankert ist und erhebliche Investitionen bei Ausklammerung der eGK aus den Systemen zunichte gemacht würden, kommt hinzu. Das Gebot der Kostensparsamkeit in den Versorgungsketten müsste der eGK bereits jede denkbare Priorisierung zuteil werden lassen. Alle zu Markte getragenen Argumente gegen die umfängliche Nutzung der eGK sind ausnahmslos entweder politisch oder wirtschaftlich getrieben. Im Sinne der Patientensicherheit sind sie ab dem ersten Buchstaben eines Widerspruches nicht. Die Patientensicherheit muss im Wege eines prinzipiellen Paradigmenwechsels deutlich und flächendeckend der Datensicherheit voran gestellt werden. Eine systemübergreifende, prinzipielle Priorisierung der Patientensicherheit ist seit Jahrzehnten überfällig.


eRezept


Die Apotheken haben sich als Partner für Patientensicherheit frühzeitig auf die Einführung des eRezeptes eingestellt. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit hat das seit jeher begrüßt und auch hier in den Arbeitsgruppen thematisiert. Die Arbeitsgemeinschaft Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) in unserem Verband ist ein Expertegremium unter der Leitung von Frau Prof. Seidling und Frau Dr. Woltersdorf und vereint Teilnehmergruppen von der KBV über die ABDA bis hin zum BfArm. Niemand, der sich an den Lebenswirklichkeiten und noch zumal an den in der Gesellschaft verbreiteten Gesundheitskompetenzen orientiert, kann dem eRezept je widersprechen. Die exponentiell gestiegene Mobilität der Menschen im Wege von grenzüberschreitenden Reisen bedingt seit 20 Jahren die Installation der Formate, die in anderen Ländern völlig üblich sind. Sieht man sich an, dass skandinavische Patienten seit über 10 Jahren schon ihre Rezepte selbst in südosteuropäischen Ländern an jeder Ecke einzulösen berechtigt und in der Lage sind, muss unser technischer Standard beschämen. Wir können ein Rezept, das in Frankfurt/Oder ausgestellt wurde, im 5 Kilometer entfernten Kostrzyn nad Odra selbst bei Hinterlegung des Rezeptwertes in bar auf der anderen Seite der Oder nicht einlösen, weder ein digitales Rezept, noch ein Muster-16-Exponat.
Die großen und internationalen Akteure der Versorgung kommen uns näher: Google, AMAZON, General Electric, Meta, Medtronic, Apple und wie sie alle heissen. Keiner dieser Tech-Konzerne hat nicht in den letzten 5 Jahren Health-Bereiche entwickelt und einige der Akteure haben gar hunderte Arztpraxen und tausende Apotheken aufgekauft, um sich hier in unserem Markt einrede- und barrierefrei zu etablieren. Phoenix hat über 3.000 Einheiten quer durch den europäischen Apothekenmarkt aufgekauft, in Deutschland sind in den letzten 3 Jahren von der Deutsche Arzt AG fast 900 Orthopädiepraxen und eine weit verzweigte Struktur von Physiotherapiepraxen übernommen worden, zahllose Internisten haben ihre Praxen an große Versorgungsgesellschaften verkauft und arbeiten heute letzthin als Angestellte von Unternehmen der Finanzindustrie. Wir möchten das als Aktionsbündnis Patientensicherheit nicht werten, aber dennoch hinweisen, dass ein regelmässiges Verschweigen dieser Begebenheiten gegenüber den Patienten schlicht unfair ist. Bei voller Kenntnis um diese marktmechanistischen Tatsachen argumentieren nicht zuletzt politische Akteure nahezu aller Fraktionen und sogar Teilnehmer dieser Sphären gerne Daseinsvorsorge-Themen und qualifizieren wirtschaftliche Interessen gar als verwerflich. Es handelt sich bei Verkäufen der dezentralen Infrastruktur auch nicht um die Folge von Naturgewalten, sondern eine Vielzahl von Ärzten und Apothekern wollten sich von den Mühen und Risiken der Freiberuflichkeit befreien und fanden den daraus resultierenden Geldeingang auf ihren Konten charmant und reizvoll. Mitnichten sind diese Praxen also „Opfer“ einer Entwicklung, sondern sie haben die Chancen der Zeit genutzt und sich ordentlich kapitalisiert. Selbstverständlich haben sich die Parameter der Versorgung und insbesondere der Patientensicherheit durch diese Marktentwicklungen fulminant verändert. Das TVG und all die geradezu hilflos anmutenden Regulationsparameter haben an diese neu entstandenen Versorgungseinheiten allenfalls marginale Konsequenzen adressiert. Ein Patient, der heute auf eine ganz normale Facharztkonsultation mehrere Monate warten muss, hat von einem Terminservicegesetz mit dem Leistungsversprechen binnen einer Wartezeit von 4 Wochen oder einer Rufnummer 116117 absolut nichts, die Lebenswirklichkeit bildet regelmässig andere Wartezeiten ab. Von einem eRezept hingegen, welches der Patient während dieser Wartezeiten inzwischen aber wenigstens abrufen kann, hat er - nachgerade als chronisch Erkrankter - einen enormen Mehrwert. Wir müssen im Interesse der Patientensicherheit einen status quo der Gegebenheiten deutlicher referieren, dem Aktionsbündnis Patientensicherheit liegen die vielfach von Besitzständen geprägten Debatten fern. Patientensicherheit ist bei allem Verständnis für die Interessen der wirtschaftlichen Strukturierung von Märkten nicht diskutabel und darf sie nie werden. Das eRezept ist über die eGK als barrierefrei zugängliches Instrument in die Versorgungsketten zu implementieren, wie dereinst der Geldautomat oder bis heute die Kreditkarte oder der Zugang in zeitgemässe Netzwerke und das Internet.


eMedikationsplan


Patienten, die auf Nachfrage bei Ärzten angeben, sie nähmen morgens drei Tabletten - eine rote, eine weisse und eine hellgelbe - sind heute vielfach die Realität in Deutschland. Diese Patienten nehmen abends noch zwei grüne Tabletten ein und bedeuten mit Inbrunst, dass der Arzt oder die Ärztin das so verordnet habe. Dieses Szenario ist lange bekannt und hat dazu geführt, dass Patienten, die mittel- oder langfristig mehr als drei Medikamente pro Tag konsumieren, ein gesetzlich verankerter Anspruch auf Bereitstellung eines Medikationsplanes angedient wurde. Abgesehen davon, dass nach inzwischen über 10 Jahren eine Vielzahl von Leistungserbringern den standardisierten Medikationsplan nach wie vor nicht ausdrucken kann, nutzt der schönste analoge Medikationsplan nichts, wenn der Patient im Stadtpark stürzt und im Schockraum einer Klinik ankommt. Es ist ein Treppenwitz der Entwicklung eines technisch rückständigen Landes, dass wir vor 5 Jahren die Menschen zu animieren begannen, ihre Medikationspläne und gesundheitlichen Basisparameter in grün-weissen Dosen im Kühlschrank ihrer Wohnung zu deponieren und an den Wohnungstüren einen Icon-Sticker zu platzieren, der Hilfskräften bedeutet, sie könnten Gesundheitsinformationen und Medikationsgegebenheiten zwischen Butterdose und Salatkopf im Kühlschrank auffinden. Das sind keine hinreichenden Formate zur Sicherstellung von Patientensicherheit. Wer etwas anderes behauptet, verkörpert keine Expertise. Daher ist es selbsterklärend, dass der eMedikationsplan ohne Wenn und Aber auf die eGK zu schreiben ist. Es ist ein Gebot des Lebensschutzes und zugleich ein Gebot der Fairness gegenüber all den Menschen, die sich in der ambulanten und stationären Versorgung um das Wohlergehen der Patienten bemühen.


Einbindung Pflege


Wir haben die einzelnen Aspekte notwendiger Einbindung der Pflegedienstleister in den Einzelthemen bereits angesprochen. Es ist ein selbsterklärendes Gebot im Sinne der Patientensicherheit, die Pflegenden in die Kommunikationsketten und den multidisziplinären Austausch einzubinden. Aus gutem Grund begleitet die Pflege jede ärztliche Visite in der stationären Versorgung. Die Pflege in der ambulanten Versorgung von der „Visite“ und Kommunikation auszuklammern, ist schlicht nicht logisch.



 
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