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+++ Klinische Unterschiede zwischen Generika möglich +++ Deutsche Parkinson Vereinigung liefert mit der Patientenbefragung und Datenerhebung eine gewichtige Informationsgrundlage +++ aut-idem-Regel muss neu gedacht werden +++ 


Die fundamentalste Begebenheit im Zusammenhang mit der Erkenntnis, dass Generikawechsel im Zuge von zu berücksichtigenden Rabattverträgen klinische Unterschiede beim Patienten abbilden, ist der Beweis, dass ohne Datenerhebung keine objektive Analyse möglich ist. Die Erhebung von Patientendaten, in der Bundesrepublik Deutschland nach wie vor argwöhnisch betrachtet, ist der einzige und sicherste Garant für Adaptionen der Therapie im Sinne der Patientensicherheit. Das betrifft alle Diagnosen und alle Therapien gleichermassen. Ohne valide Daten sind weder Erkenntnisse abbildbar, noch Konsequenzen denkbar. 

Die Deutsche Parkinson Vereinigung hat hier als weitgehend auf ehrenamtlichem Engagement aufbauender Verband der gesamten Medizinwirtschaft und nachgerade politischen Entscheidungsebenen einen wichtigen und wertvollen Dienst erwiesen, indem sie mit unglaublichem administrativen Aufwand rund 14.000 Parkinson-Betroffene einzeln anschrieb, Fragebögen versandte, Rückporto sicherstellte und anschliessend die gewonnenen Daten ergebnisoffen auswertete. Hunderte Datensätze waren am Ende tatsächlich verwendbar. 

Dieses Projekt war und ist im Interesse der Patientensicherheit von außerordentlicher Wichtigkeit, weil es die Grundfesten der politisch installierten "aut-idem"-Anwendung erschüttert. Der Austausch von Medikamenten auf Grundlage von kostengetriebenen Rabattverträgen ist eine Herangehensweise zu Lasten der Patientensicherheit. Auch wenn nunmehr die politische Entscheidungsträgerebene im Lichte von Lieferengpässen einzelne Rabattvertragsstrukturen und Preisdeckelungen aussetzt, ist das aut-idem-Problem damit nicht ansatzweise gelöst. 

Patientenverbände müssen sich der Forderung des APS Aktionsbündnis Patientensicherheit in Berlin nach Schaffung von hauptberuflichen Beauftragten für Patientensicherheit anschliessen, in Analoge zum behördlich organisierten Datenschutz braucht die Patientensicherheit Augenhöhe. 

Die aut-idem-Problematik, die sich im Zuge der Implementierung des eRezeptes und des eMedikationsplanes noch verschärfen könnte, muss politisch gelöst werden.



AUT-IDEM - Der Trailer ©DOPANET Wissen & Kommunikation 2020


Probleme beim Generikawechsel

Berechtigte Klagen oder nur Einbildung der Patienten?

Versorgungsengpässe wirbeln den Markt bei einigen Indikationen fast noch stärker auf als die Rabattverträge. Nur eines bleibt konstant: die Unzufriedenheit der Patienten mit jedem Generikawechsel, der in der Apotheke entsprechend mühsam vermittelt werden muss. Dass nur „die richtigen Tabletten“ in der bekannten Packung helfen, hört man in der Offizin quasi minütlich, während man froh ist, wenn überhaupt das verordnete Präparat aufgetrieben werden kann. Am Beispiel von Parkinson-Therapeutika wurden im Rahmen eines wissenschaftlichen Projektes pharmakotherapeutische und technologische Aspekte eines Generikawechsels untersucht: Irgendjemand müsste ja auch einmal zu einem vermeintlich besseren Generikum wechseln.


Dass kaum ein Generikawechsel geräuschlos über den HV-Tisch geht, ist gelebte Apothekenrealität, rational indes nicht immer nachvollziehbar. In den Apotheken geht man unterschiedlich mit der Thematik um. Während man einerseits die Sorgen der Patientinnen und Patienten nachvollziehen kann, drängen einen der Rabattvertrag und die Tatsache, dass man nicht mit jedem Patienten einen wenig zielführenden und endlosen Diskurs starten kann, oft zu der pragmatischen Aussage, dass in jeder Packung quasi das Gleiche drin ist. Generika sind ja schließlich bioäquivalent, jedenfalls zum Original. Das Original existiert allerdings oft nur noch anekdotisch. Oder in der Vorstellung der Patienten, die ihr aktuell eingenommenes Generikum als das wahre Original betrachten. Die Forschung hat sich diesem Problem auf unterschiedlichen Pfaden genähert. Als Generika aufkamen, galt „Bioäquivalenz“ als das Zauberwort. Sie wird angenommen, wenn Originalpräparat und Generikum in Ausmaß und Geschwindigkeit der Bioverfügbarkeit vergleichbar sind. Ein ganz anderer Ansatz wurde in einem Projekt am Institut für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster in Zusammenarbeit mit dem impac2t Institut für Pharmakotherapie verfolgt (s. Kasten „Das Projekt“). Es ist entsprechend in der Schnittmenge aus Pharmakotherapie und pharmazeutischer Technologie entstanden und hat sich die Indikation Parkinson und den Wirkstoff Levodopa als Beispiel gewählt.

Hintergrund ist, dass Wirkstoffschwankungen für Patienten mit Morbus Parkinson besonders leicht spürbar sind: bei niedrigen Spiegeln kommt es beim Parkinson-Patienten zu Bewegungsblockaden, dem sogenannten Off oder Freezing, bei dem sich die Patienten phasenweise kaum oder nur schwer bewegen können. Hohe Blutspiegel führen hingegen zu Dyskinesien, unwillkürlichen, teils rollierenden Muskelbewegungen. Dazu gesellen sich noch zahlreiche nichtmotorische Parkinson- Symptome und Zeichen, wie Schlafstörungen, Sprachstörungen, Dysphagie, Obstipation oder Depression. Auch diese werden wesentlich durch Dopamin(-mangel) beeinflusst.

Was bisher bekannt ist

In einer systematischen Übersichtsarbeit wurde nach Studien zum Generikawechsel in der Neurologie gesucht [1]. Es konnten 67 passende Studien gefunden und ausgewertet werden, davon fast alle zum Generikawechsel bei Epilepsie. Als ein Ergebnis zeigte sich in dieser Auswertung, dass die pharmakokinetischen Unterschiede zwischen wirkstoffgleichen Präparaten in allen Studien sowohl im Vergleich zum Original als auch untereinander minimal waren. Anders sah es jedoch bei klinischen Endpunkten aus: Hospitalisierungsraten, Durchbruchsanfälle und Therapieversagen wurden in einigen Studien gefunden, in anderen dagegen nicht. Eindeutig war das Bild bei Adhärenz und Patientenzufriedenheit: Beide Parameter litten deutlich nach einem Generikawechsel. Es hat also den Anschein, dass mit pharmakokinetischen Parametern wie AUC, tmax und cmax, die ja unter standardisierten und praxisfernen Studienbedingungen ermittelt wurden, die klinischen Effekte nicht eindeutig abgebildet werden können.

Das Projekt

In einem wissenschaftlichen Projekt wurde das Thema Generikawechsel in enger Zusammenarbeit aus der Perspektive der Pharmakotherapie und der pharmazeutischen Technologie in drei aufeinander aufbauenden Studien beleuchtet:
Sicht der Pharmakotherapie
sy•stematische Übersichtsarbeit über Effekte eines Generikawechsels in neurologischen Indikationen [1] B•efragung von Patienten mittels Fragebögen [2]
Sicht der pharmazeutischen Technologie
E•rstellen von Lösungsprofilen für Präparate mit Levodopa, Carbidopa, Benserazid und Entacapon [3] N•achahmung verschiedener physiologischer Bedingungen [3]
Das Projekt wurde teilweise von der Apothekerstiftung Westfalen-Lippe gefördert und von der Deutschen Parkinson Vereinigung e. V. unterstützt.

Umfrage unter Betroffenen

Mit diesen klinischen Effekten befasste sich ein weiterer Teil des Projektes: Durch den Bundesverband der deutschen Parkinson-Vereinigung wurden knapp 14.000 Fragebögen an ihre von der Erkrankung betroffenen Mitglieder verteilt. Die Patienten beantworteten darin Fragen in Bezug auf den Wechsel ihres Levodopa-Präparates. Der Präparate- bzw. Herstellerwechsel musste von der betreuenden Apotheke bestätigt werden. Trotz des zeitlichen Zusammenfalls mit der ersten Welle der Coronavirus-Pandemie mit dem hartem Lockdown wurden 459 Fragebögen zurückgesendet, von denen 410 Bögen ausgewertet werden konnten [2]. Insgesamt waren 298 Apotheken beteiligt, die die Fragebögen verifizierten. Die Patienten waren bezüglich Alter und Krankheitsgrad des Parkinson-Syndroms tendenziell fortgeschritten. Nach den Aussagen zur Wechselsituation konnten drei Gruppen gebildet werden:

P•atienten, die einen Wechsel erlebt hatten,
P•atienten, die einen Wechsel verneinten, und
P•atienten, die irrtümlich der Annahme waren, dass sie das Präparat gewechselt hatten. In diese Vergleichsgruppe waren Patienten eingeschlossen, die zwar angaben, ein Levodopa-Präparat gewechselt zu haben, bei denen dieser Wechsel von der Apotheke jedoch nicht bestätigt werden konnte. Vielleicht betraf der Wechsel ein anderes Medikament.

Nahezu alle 410 Patienten gaben an, dass sie beim Generikawechsel verwirrt und irritiert waren. Bei Wechslern wurden im Vergleich zu Nicht-Wechslern wesentlich häufiger Probleme mit Schluckbeschwerden angegeben. Dies ist besonders wichtig, weil Dysphagie ein typisches Parkinson-Symptom ist und häufig auftritt.

Das Gleiche galt für unerwünschte Arzneimittelwirkungen, über die nach einem Herstellerwechsel signifikant häufiger geklagt wurde. Im Vergleich zur Kontrollgruppe berichteten Wechsler deutlich häufiger über Schlafprobleme und Tagesmüdigkeit. Auch Tremor, Freezing, Halluzinationen und Verdauungsprobleme traten vermehrt auf (p < 0,05). Alle Effekte waren bei älteren und Patienten im fortgeschrittenen Parkinson-Stadium deutlicher ausgeprägt.

Dissolution unter Simulierung einer typischen Einnahme

 

Mit Levodopa-Präparaten von verschiedenen Herstellern wurden in Leitungswasser (pH-Wert: ca. 7,4), simuliertem Magensaft (USP, ohne Enzyme, pH-Wert: 1,2) und in Vollmilch (pH-Wert: ca. 6,8) Dissolutions-Tests durchgeführt und so das Frei- setzungsverhalten und die Stabilität der Wirkstoffe untersucht [3].


Die geringsten Unterschiede zwischen den einzelnen Präparaten wurden in simuliertem Magensaft gefunden, was den vorgeschriebenen Testbedingungen der in den zu Zulassungsstudien geltenden Richtlinien entspricht. In Leitungswasser kam es unmittelbar nach dem Zerfall der Tabletten zu deutlich sichtbaren Veränderungen. Das Lösungsmedium färbte sich minütlich dunkler. Da sowohl Levodopa als auch die Decarboxylasehemmer oxidationsempfindlich sind, konnte hier eine schnelle Abnahme des Gehalts von Carbidopa und die Bildung eines dunklen Farbstoffes nachgewiesen werden. Ein ähnliches Verhalten konnte in weiteren Untersuchungen für den Decarboxylasehemmer Benserazid beobachtet werden. In Vollmilch wurden die Wirkstoffe deutlich langsamer aus den Tabletten freigesetzt, und die ermittelten Wirkstoffkonzentrationen zeigten eine größere Standardabweichung.

Diese Beobachtungen konnten auch in den Freisetzungsstudien mit den Kombinationspräparaten Levodopa/Carbidopa/Entacapon gemacht werden.
Der Gehalt von Carbidopa sank in Leitungswasser jedoch wesentlich langsamer, wenn Entacapon in der Tablette enthalten war. Die Entacapon-Freisetzung war sowohl in simuliertem Magensaft als auch in Milch unvollständig. Das Verhalten in Magensaft kann durch die chemischen Eigenschaften von Entacapon als schwache Säure und einer damit verbundenen geringen Löslichkeit im sauren pH-Wert begründet werden. Jedoch erklärt dies nicht die schlechte Freisetzung in Vollmilch. Hier spielen vermutlich andere Faktoren eine Rolle.

Konsequenzen für das klinische Bild

Die drei aufeinander aufbauenden Studien des Projektes kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Der Review zeigt, dass sich die pharmakokinetischen Parameter kaum unterscheiden, die klinischen Bilder aber durchaus. Dieser Eindruck bestätigte sich auch in den Fragebögen, die auf vermehrte unerwünschte Wirkungen und Symptome nach einem Präparatewechsel deuten. Während sich die Freisetzungsraten der einzelnen Wirkstoffe unter den für Zulassungsstudien verwendeten Standardbedingungen (simulierter Magensaft) nur gering unterscheiden, können bei abweichenden Voraussetzungen (z. B. erhöhter pH-Wert oder ein komplexes Medium wie Milch) Instabilitäten und ein verändertes Freisetzungsverhalten auftreten. Eine Praxisrelevanz ergibt sich hier beispielsweise durch die zusätzliche Einnahme eines Protonenpumpenhemmers, durch die der pH-Wert im Magen auf über 6 steigen kann. Auch die Einnahme von fester Nahrung kann einen großen Einfluss auf den Magen-pH-Wert haben.

Wenn Schluckbeschwerden auftreten, werden Arzneimittel häufig in Wasser aufgelöst. Problematisch ist hier die fehlende Stabilität der beiden Decarboxylase-Hemmstoffe Carbidopa und Benserazid. Die Tabletten sollten – wenn unbedingt notwendig – in Leitungswasser suspendiert und zügig eingenommen werden. Eine Lagerung bei Raumtemperatur oder auch versetzt mit Vitamin C im Kühlschrank sollte dringend unterbleiben, da sich beispielsweise Benserazid bereits nach weniger als 20 Minuten zersetzt. Verringert sich die Wirkung des Decarboxylase-Hemmers, so wird Levodopa schon peripher zu Dopamin aktiviert. Dies kann sowohl zu vermehrten unerwünschten Arzneimittelwirkungen führen als auch die zentral verfügbare Stoffmenge an Dopamin verringern. Die Bildung eines schwarzen Niederschlags sowie die Färbung der Lösung bei Lagerung zeigen dies auch optisch deutlich an.

Fazit: klinische Unterschiede zwischen Generika möglich

Ob unterschiedliche Generika auch zu verschiedenen Effekten und Problemen führen können, muss nach den Ergebnissen dieses Projektes und jedenfalls für Levodopa-haltige Medikamente neu bewertet werden. Ergänzend zu der von nahezu allen Patienten angegebenen Verunsicherung und Verwirrung konnten plausible Umstände wie beispielsweise die Einnahme mit Nahrungsmitteln wie Milch gezeigt werden, unter denen keine äquivalente Wirkung erwartet werden kann und vermehrte Nebenwirkungen möglich sind. Hinsichtlich des unterschiedlichen, pH-Wert-abhängigen Freisetzungs- und Stabilitätsverhaltens der Wirkstoffe grenzt es eher schon an ein Wunder, dass die Kombinationstherapie mit Entacapon überhaupt funktioniert. Umso wichtiger scheint es, dass die Einnahme von Levodopa-haltigen Medikamenten zwischen den Mahlzeiten, vielleicht sogar mit einem sauren Getränk wie Apfel- oder Orangensaft erfolgt. Bei Entacapon müsste es dann theoretisch umgekehrt sein (hoher pH-Wert erwünscht), wobei die Einnahme aber gleichzeitig mit Levodopa erfolgen sollte, damit es zur Verfügung steht, wenn Levodopa anflutet. Klinische Unterschiede zwischen Generika sind – wie am Beispiel Levodopa gezeigt – also absolut möglich und in diesem Fall auch plausibel. Ein Mysterium bleibt aber der Umstand, dass nahezu jeder Präparatewechsel durch die Patienten subjektiv negativ bewertet wird. 


© DAZ Deutsche Apotheker Zeitung,
Ausgabe vom 12. Januar 2023

Die Publikation dieses Artikels ist von der DAZ autorisiert und basiert auf der Tatsache, dass der Seitenbetreiber selbst Teilnehmer an der durch die Deutsche Parkinson Vereinigung durchgeführten Erhebung war.


 


www.aut-idem.eu 


Stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses plädiert trotz Rabattverträgen für Vorzug von Patienteninteresse vor ökonomischen Zielen der Gesundheitswirtschaft

Aut-idem-Regel sollte bei Arzneimittelverordnungen gegenüber palliativ erkrankten Patienten abgeschafft werden

Foto: ©DOPANET 2022

1. Februar 2022     Bei der Verordnung von Arzneimitteln kommt es für chronisch und palliativ erkrankte Patienten wiederkehrend zum Austausch von medizinischen Handelspräparaten im Wege von Rabattvertragsergebnissen. Dabei werden von Ärzten auf Rezepten notierte Medikamente gegen wirkstoffgleiche Generika der jeweils günstigsten Preisgruppen ausgetauscht, sofern der Arzt dies nicht durch den Ausschluss der aut-idem-Regel verhindert. Die Galenik der Austauschpräparate ist jedoch trotz identischer Wirkstoffgruppen insbesondere im Hinblick auf Füll- und Hilfsstoffe unterschiedlich, was mitunter zu deutlichen Verstoffwechselungsabweichungen und damit zu Wirkungsschwankungen führen kann und bei Patienten mit hohem, nuanciert eingestelltem Medikamentenkonsum zu einer Vielzahl von vermeidbaren Klinikeinweisungen und stationären Aufenthalten führt.

DOPANET Wissen & Kommunikation wird das Thema neu aufschnüren. Unbestreitbar haben sich anzuerkennende Akteure in den letzten 15 Jahren wiederkehrend um dieses Anliegen gekümmert und viel Energien in letzthin ergebnislose Debatten investiert. Die Herangehensweise war dabei allezeit von großer Thementreue und Zielstrebigkeit gekennzeichnet, jedoch waren die Kommunikationswege unklar und die Reichweite unzureichend. DOPANET setzt auf andere Dialogstrukturen. Einzelanfragen an führende Gesundheitspolitiker erscheinen uns geeignetes Mittel zur zielführenden Kommunikation. Wir haben am 18. Januar 2022 insgesamt zunächst 10 Anfragen adressiert. Erfahrungsgemäss dauert es immer rund 4 Wochen, bis die Vorgänge an uns zurück kommen. 


Die stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Bundestages, Frau Dr.med. Kappert-Gonther von B90/Grüne hat als eine der ersten führenden Abgeordneten geantwortet.

Unsere Anfrage lautete:

Besteht Bekanntheit und Bewusstsein dafür, dass die Aut-Idem-Regel bei Medikamentenverordnungen eine ungerechte, teure, vermeidbare und gegen die Patientensicherheit stehende Regulation darstellt?

Sehr geehrte Frau Dr. Kappert-Gonther,

Rabattverträge zwischen Hersteller- und Kostenträgerwirtschaft bringen mit sich, dass Austauschmedikamente zuweilen Preisveränderungen unterliegen oder wechselnde Handelsprodukte bei Auslieferungen favorisiert werden müssen. Für palliativ Erkrankte, die auf die Einhaltung von kompliziert, teilweise stationär erarbeiteten Medikationsplänen angewiesen sind, ist der auf Grundlage von ökonomischen Parametern vollzogene Ersatz von vermeintlich preisgünstigeren Produkten eine Katastrophe.

Sind Sie bereit, sich diesem Thema zu öffnen und als Mandatsträger eine für alle Seiten erträgliche Lösung zu bewirken? Würden Sie die Aut-idem-Regel für chronisch oder gar unheilbar Erkrankte abschaffen? Sie als Ausschussvorsitzende sind selbst Ärztin und kennen das Thema also auch aus eigenem Erleben, dass der Ausschluss der Aut-idem-Regel bis zur Regress-Inanspruchnahme bei Ärzten führen kann.

Vielen Dank!

DOPANET Wissen & Kommunikation

18.Januar 2022


Die Antwort lautet:


Sehr geehrter Herr Mielert,

vielen Dank für Ihre Frage. 

Bekanntermaßen wird mit "Aut idem" (lat. "oder das Gleiche") im Apothekenrecht die Möglichkeit der Apotheker*in  beschrieben, statt eines von der Ärzt*in  verordneten Arzneimittels ein anderes, wirkstoffgleiches Präparat an die Patient*innen abzugeben. Denn durch die Abgabe preisgünstiger, wirkstoffgleicher Arzneimittel können bedeutende Einsparungen erzielt werden. Das Präparat muss in Wirkungsstärke und Packungsgröße mit dem verordneten Arzneimittel identisch und für das gleiche Krankheitsbild zugelassen sein, sowie die gleiche oder eine austauschbare Darreichungsform haben (zum Beispiel Tabletten/Dragees). Apotheker*innen sind verpflichtet, vorrangig Arzneien abzugeben, für welche die Krankenkassen der  Patient*innen  einen Rabattvertrag mit Arzneimittelherstellern abgeschlossen haben. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Ärzt*in "Aut idem" auf dem Rezept ausschließt.

Gerade bei palliativ versorgten Menschen kommt es darauf an zusätzliche Belastungen zu vermeiden. Die Patient*innen wie auch ihre Angehörigen müssen darauf vertrauen können, dass das Patient*inneninteresse im Vordergrund steht und nicht primär ökonomische Ziele. Bei der Substitution eines verordneten Arzneimittels muss daher sichergestellt sein, dass der Wirkstoff, die Wirkstärke und Packungsgröße des abgegebenen Arzneimittels identisch sind. Auch bei den Darreichungsformen muss gewährleistet sein, dass sich die Aufnahme und Wirkdauer nicht unterscheiden. Dies ist sowohl aus Gründen der Compliance als auch der Therapiesicherheit notwendig. Wenn dies angezeigt ist, kann  die Möglichkeit genutzt werden, den Austausch in der Apotheke schon auf dem Rezept auszuschließen.

Mit freundlichen Grüßen,

Kirsten Kappert-Gonther

31.Januar 2022


Auch wenn die Antwort von Frau Dr. Kappert-Gonther erkennbar lang bekannten Antwortmustern entspricht, ist die von ihr formulierte Priorisierung von Patienteninteressen vor ökonomischen Zielen der Wertschöpfungs- und Kostenträgerwirtschaft erfreulich deutlich. 


An die Bundestagsabgeordnete und Gesundheitspolitikerin Katrin Helling-Plahr, die sich bereits 2019 für die FDP-Fraktion für das Thema eingesetzt hatte, hatten wir folgende Einzelanfrage eingereicht:

Würden Sie bitte proaktiv und im Angesicht Ihrer nunmehr gegebenen Einbindung in eine Regierungspartei die "Aut-idem-Regel" für chronisch oder gar unheilbar Erkrankte abzuschaffen versuchen?


Sehr geehrte Frau Helling-Plahr,


Rabattverträge zwischen Hersteller- und Kostenträgerwirtschaft bringen mit sich, dass Austauschmedikamente zuweilen Preisveränderungen unterliegen oder wechselnde Handelsprodukte bei Auslieferungen favorisiert werden müssen. Für palliativ Erkrankte, die auf die Einhaltung von kompliziert, teilweise stationär erarbeiteten Medikationsplänen angewiesen sind, ist der auf Grundlage von ökonomischen Parametern vollzogene Ersatz von vermeintlich preisgünstigeren Produkten eine Katastrophe.
Sie haben sich 2019 mit Ihren Anfragen an die damalige Bundesregierung bereits sehr für u.a. dieses Thema und eine für Parkinson-Patienten und auch die Ärzteschaft erträgliche Lösung eingesetzt.
Würden Sie bitte im Angesicht der neuen Machtverhältnisse in Berlin und Ihrer nunmehr gegebenen Einbindung in eine Regierungspartei die Aut-idem-Regel für chronisch oder gar unheilbar Erkrankte abschaffen?
Vielen Dank!
J.M. Mielert
DOPANET Wissen & Kommunikation


Die Antwort vom 15. Februar 2022 lautet:

Sehr geehrter Herr Mielert,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.

Nach der sogenannten Aut-idem-Regelung sind Apotheker verpflichtet, vorrangig Arzneien abzugeben, für welche die Krankenkasse des Patienten einen Rabattvertrag mit Arzneimittelherstellern abgeschlossen hat. Es muss aber stets sichergestellt sein, dass das von den Apotheken ausgegebene Präparat in Wirkungsstärke und Packungsgröße mit dem verordneten Arzneimittel identisch und für das gleiche Krankheitsbild zugelassen ist. Zudem muss das Arzneimittel die gleiche oder eine austauschbare Darreichungsform besitzen. Der G-BA führt eine sogenannte Substitutions-Ausschlussliste, auf der all jene Medikamente stehen, die nicht ausgetauscht werden dürfen. Die verordnenden Ärzte haben außerdem heute bereits die Möglichkeit, die Aut-idem-Regelung auf dem Rezept auszuschließen. In vielen Fällen wird von dieser Möglichkeit bereits Gebrauch gemacht.


Im Grundsatz steht hinter der Aut-idem-Regelung ein berechtigtes Anliegen. Wichtig ist, dass Fälle, in deren Anwendung sie aus medizinischen Gründen nicht geboten ist, auch tatsächlich keine Anwendung findet. Deshalb sollte konsequent und gründlich erforscht werden, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Anwendung der Regelung bei einem konkreten Krankheitsbild für die Patienten nachteilig ist. Dafür habe ich mich in der Vergangenheit eingesetzt und werde das auch in Zukunft im Rahmen meiner Möglichkeiten tun.


Ich wünsche Ihnen alles Gute!
Mit freundlichen Grüßen
Katrin Helling-Plahr


An dieser Stelle werden alle weiteren Antworten in der Reihenfolge des Posteinganges beantwortet werden. 


DOPANET Wissen & Kommunikation 

Film: © DOPANET 2021


Unter der Internetadresse 

www.aut-idem.eu 

wird die gesamte Korrespondenz und die aktuellen Publikationen zum Thema aut-idem, auch im Anwendungsbereich des elektronischen Medikationsplanes, des elektronischen Rezeptes und der elektronischen Patientenakte abgebildet. DOPANET setzt auf absolute Transparenz und Unabhängigkeit. Unsere Anfragen sind in keiner Weise durch irgendwelche ökonomischen Ziele oder Abhängigkeiten getrieben. Wir nehmen weder Spenden, noch Fördergelder, noch andere Zuwendungen an. Unsere einzige Grundlage ist und bleibt das jeweilige Thema. Wir sind als eingetragene Interessenvertreter zu lückenloser Transparenz verpflichtet und haben den Kodex für beim Bundestagspräsidium eingetragene Interessenvertreter unterzeichnet.

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